Dr. Alexander Wild ist Anwalt in Stuttgart bei Falkenstein Rechtsanwälte. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt im Sportrecht. Im Rahmen seiner Promotion hat sich Dr. Alexander Wild mit den Rechtsfragen des Dopings im deutschen Lizenzfußball, insbesondere dem Gesetz gegen Doping im Sport, befasst (Dissertation im Erscheinen). Die Rechtsprechung des CAS im Bereich des Fußballs ist Gegenstand des von ihm im Jahr 2011 herausgegebenen Buches CAS and Football: Landmark Cases. Insbesondere durch die Entscheidung von Lizenzierungsstreitigkeiten als Schiedsrichter trat Dr. Alexander Wild zuletzt des Öfteren medial in Erscheinung.
Sportrecht ist ein Rechtsgebiet, welches an der Universität in der Regel nicht gelehrt wird und ist dementsprechend unbekannt bei Studierenden. Wie kamen Sie zu Ihrer Leidenschaft für das Sportrecht?
Als leidenschaftlicher (Amateur-)Sportler und Sportbegeisterter lag es schon immer nahe, dass eine Spezialisierung auf das Sportrecht erfolgt. Das Sportrecht ist ein äußerst lebendiger Rechtsbereich. Normen und Rechtsprechung sind in Bewegung. Dass dies auch die staatliche Gerichtsbarkeit betrifft, zeigen eindrucksvoll im vergangenen Jahr die Entscheidungen des BGH in den Fällen SV Wilhelmshaven und Pechstein. Für das erste Quartal 2018 ist mit einer Entscheidung des BAG im Fall des ehemaligen Mainzer Torhüters Heinz Müller zu rechnen. Auch beim EuGH stehen wichtige Entscheidungen aus.
Zu Zeiten des Studiums genoss das Sportrecht in der Lehre, von einigen wenigen Universitäten abgesehen, weitestgehend ein Schattendasein. Bezüge zum Sportrecht wurden nur punktuell hergestellt; etwa im Zusammenhang mit dem Strafrecht oder der wegweisenden Bosman-Entscheidung des EuGH zu den Grundfreiheiten im Europarecht. Als originell habe ich die Fallbesprechung im Strafrecht zur Übung für Fortgeschrittene in Erinnerung behalten. Sämtliche der dort besprochenen Fälle wiesen einen Bezug zum Fußball auf. Ich habe letztlich das Referendariat genutzt, um eine Brücke zum Sportrecht zu schlagen. Intensiv mit der Materie des Sportrechts im engeren Sinne beschäftigt habe ich mich während meiner Wahlstation.
Sportrecht ist sehr weit gefächert. Welche Bereiche fallen darunter und haben Sie sich nochmals innerhalb des Sportrechts spezialisiert?
Beratungsbedarf besteht weit überwiegend bei Vereinen, Verbänden, Trainern, Sportlern, Vermittlern, Beratern, Ausrüstern und Vermarktern. Die Menge der mit dem Sport verbundenen Rechtsfragen und Rechtsbeziehungen definiert den Begriff des Sportrechts im weiteren Sinne. Als Querschnittsmaterie weist das Sportrecht mannigfache Berührungspunkte zu verschiedenen Rechtsgebieten auf. Das Sportrecht ist demnach geprägt durch das sog. Zweisäulensystem: es gilt das von Verbänden und Vereinen privatautonom gesetzte Recht und das staatliche Recht. Beispiele für Sportrecht können sein: die zivil- und strafrechtliche Haftung bei Mannschaftssportarten, das Recht des Handelsvertreters, etwa im Zusammenhang mit der Vermittlung neuer Sponsoren, die nationale und internationale Schiedsgerichtsbarkeit zur Entscheidung von Rechtstreitigkeiten, sportinstitutionelle Fragen wie etwa Lizenzierungsverfahren oder auch das Arbeitsrecht, wobei hierbei jeweils die rechtlichen Stellung des Akteurs zu klären wäre, und natürlich das Verbandsrecht, etwa die Verhängung von Sperren. Eine Spezialisierung im Sinne einer nur eingeschränkten Bearbeitung sportrechtlicher Mandate kann anhand der aufgezeigten Rechtsgebiete oder aber aufgrund der privatautonomen Rechtssetzung nach den Sportarten erfolgen. Wir bieten dank eines starken Netzwerkes eine ganzheitliche Beratung.
Was sehen Sie als besondere Herausforderung in Ihrem Beruf?
Der Beruf des Rechtsanwalts erfordert neben einem hohen Maß an Empathie – sowohl im Hinblick auf den Mandanten als auch auf die gegnerische Seite bzw. den Vertragspartner – die Fähigkeit, mitunter äußerst komplexe Sachverhalte der am besten passenden Lösung zuzuführen. Dafür benötigt es zunächst der gemeinsamen Eruierung des Sachverhalts mit dem Mandanten. Auf dieser Basis ist sodann die Würdigung der Rechtsprobleme vorzunehmen, an deren Ende die Ausarbeitung einer „maßgeschneiderten“ Strategie steht. Die Arbeit des Anwalts ähnelt hierbei dem Lösen eines Puzzles. Die Größe des Puzzles steht in Abhängigkeit zu der Komplexität des jeweiligen Falles. Klar ist: Je früher der Anwalt eingebunden wird, desto eher lässt sich das Puzzle vollständig lösen. Der Grund hierfür ist schlicht die Möglichkeit, durch geschicktes Handeln den Sachverhalt für den Mandanten vorteilhaft zu konturieren.
Was sind typische Mandate, die zu Ihnen gelangen? Können Sie ein Beispiel anhand eines besonders spannenden Falles geben?
Das „typische Mandat“ im Sinne des Prototypen gibt es – Sie werden es sicherlich mit Blick auf die bereits geschilderte Diffusität und Komplexität des Sportrechts bereits ahnen – nicht. Die Struktur der Mandate spiegelt die gesamte Bandbreite des Sportrechts wider.
Ein äußerst spannender Fall war sicherlich die Vertretung einer Mandantin mit dem Ziel, die Lizenz für die Handball Bundesliga der Männer zu erlangen. Spannend war der Fall zum einen deshalb, da für die Bearbeitung des Mandates lediglich ein Zeitfenster von Freitag bis Sonntag blieb und zum anderen aufgrund der immensen wirtschaftlichen und sportlichen Brisanz. Letztlich ist es uns nach äußerst arbeitsamen, von wenig Schlaf geprägten 72 Stunden gelungen, eine bereits sportlich abgestiegene Mannschaft qua Entscheidung am grünen Tisch (einstweilige Verfügung eines staatlichen Gerichtes), durch Aufstockung der Liga um eine Mannschaft, in der Bundesliga zu halten. Das Beispiel zeigt: Das Sportrecht eröffnet dem Rechtsanwalt stellenweise die Möglichkeit, auf den sportlichen Wettbewerb, hier den Spielbetrieb, durch geschickte Rechtsanwendung, direkt einzuwirken. Hierin zeigt sich für mich mitunter die besondere Faszination des Sportrechts.
Welchen Regelungen unterliegen Sportler und Vereine? Wie hat man sich das vorzustellen?
Sowohl Sportler als auch Vereine unterliegen – wie jeder Bürger – dem staatlichen Recht. Hinzu treten die Bestimmungen der Verbände. Voraussetzung für Letzteres ist aber, dass der Sportler bzw. Verein sich diesem wirksam unterworfen hat. Es empfiehlt sich dies im Einzelfall gewissenhaft zu prüfen. Durch den monopolistisch hierarchisch-pyramidalen Aufbau des Verbandswesens wird eine übersichtliche Organisationsstruktur geschaffen. Hierdurch soll eine einheitliche Regelgeltung innerhalb der jeweiligen Sportart gewährleistet werden. Als vereinfachtes Beispiel mögen die Spielregeln im Fußball dienen: Die FIFA verpflichtet ihre derzeit 211 Mitgliedsverbände nach den Spielregeln des IFAB zu spielen. Verstößt ein Verband hiergegen, kann dies zum Ausschluss aus der FIFA führen. Bei alledem muss klar sein: Auch die Verbände sind, ungeachtet ihrer grundrechtlich verbürgten Autonomie, an staatliches Recht gebunden. Dieses gilt als Überbau des Verbandsrechts und steckt so den äußeren Rahmen ab.
Wie kann eine internationale Einheitlichkeit des Sportrechts geschaffen werden?
Eine internationale Einheitlichkeit des Sportrechts kann es absolut gesehen, also in Bezug auf die Gesamtheit der Sportverbände, nicht – bzw. nur mit Ausnahmen – geben. Eine Ausnahme stellt die Bekämpfung von Doping und hier die Geltung von WADA- und NADA-Code dar. Mit Blick auf die relative internationale Einheitlichkeit des Sportrechts, also in Bezug auf die jeweilige Sportart, erfolgt diese grundsätzlich (Ausnahmen bestehen etwa im Boxen) durch das sog. Ein-Platz-Prinzip. Hiernach darf es pro Sportart nur einen Weltfachverband geben. Diese Exklusivität gilt auch auf den darunterliegenden Ebenen. Indem das jeweilige Mitglied zwingend die höherrangigen Regeln durchzusetzen hat, wird eine einheitliche Regelgeltung hergestellt. Um die Ausführung plastisch zu machen: Im Fußball gilt die Hierarchie (in absteigender Reihenfolge) FIFA – UEFA – DFB – Regionalverbände – Landesverbände –Vereine – Spieler, wobei – anders als der DFB – die UEFA kein Mitglied der FIFA ist.
Zweifelsohne kommt auch dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) bei der Anwendung und Auslegung des Verbandsrechts große Bedeutung zu.
Im Sportrecht können sowohl die ordentlichen Gerichte als auch Schiedsgerichte zuständig sein. Schiedsgerichte werden auch durchaus kritisch gesehen. Wäre Sportrecht bei staatlichen Institutionen besser aufgehoben, gerade auch vor dem Hintergrund verschiedentlicher Korruptionsvorwürfe innerhalb mancher Weltsportverbände? Wie stehen Sie dazu?
Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von Schiedsgerichten stehen außer Frage. Schiedsgerichte bieten gegenüber staatlichen Gerichten zunächst die Vorteile, dass Schiedsrichter eine besondere Fachkompetenz und Sachnähe aufweisen und die Entscheidungsfindung zügig erfolgt. Im Falle einer einheitlichen Schiedsgerichtsbarkeit besteht ferner die große Chance auf eine einheitliche Regelanwendung, -durchsetzung und -fortbildung. Die einheitliche Schiedsgerichtsbarkeit schafft die Möglichkeit, Regelwerke flächendeckend nach einheitlichen Maßstäben durchzusetzen. Auf der anderen Seite muss klar sein: Das Schiedsgericht ersetzt die staatliche Gerichtsbarkeit. Schiedssprüche unterliegen nur eingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle. Dies erfordert zwingend, dass Unabhängigkeit und Neutralität des Schiedsgerichts garantiert sind. Die Anforderungen hieran müssen hoch sein. Die Unabhängigkeit des CAS wurde im Fall Pechstein äußerst kontrovers diskutiert und vom BGH, mit fragwürdiger Argumentation, schließlich bejaht.
Was würden Sie Studierenden empfehlen, die sich für eine Karrierelaufbahn im Sportrecht interessieren?
Aus meiner Sicht bietet das Referendariat die große Chance, durch gezielte Wahl der einzelnen Stationen, die Weichen richtig zu stellen. Hier sollte frühzeitig an die Karriere im Sportrecht gedacht werden. Den ersten Einstieg in das Sportrecht im engeren Sinne sollte aber sicherlich die Lektüre von Verbandsregeln darstellen.
* Das Interview entstand auf Initiative von Sonja Bühler. Sie studiert im neunten Fachsemester Rechtswissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau.