Andreas Schubert*
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Die Bandbreite arbeitsrechtlicher Lehrbücher ist mit dem Anfang dieses Jahres erschienenen Buch Arbeitsrecht von Sudabeh Kamanabrou um ein Werk reicher geworden.
Das Lehrbuch der Professorin für Bürgerliches Recht, deutsches und europäisches Arbeitsrecht, Wirtschaftsrecht und Methodenlehre sowie Mitdirektorin des Instituts für Arbeit und sozialen Schutz der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bielefeld hebt sich jedoch bereits durch seinen beeindruckenden Umfang von über 1000 Seiten vom vorhandenen Bestand typischer Lehrbücher ab.
Das Buch ist in sechs Teile gegliedert. Nach den Grundlagen folgt mit dem Arbeitsrecht der Europäischen Union im zweiten Teil ein ausgewiesener Schwerpunkt des Lehrbuches.
Das 3. Kapitel zum Individualarbeitsrecht enthält auf 170 Seiten ausführliche Erläuterungen zur Begründung des Arbeitsverhältnisses, den Pflichten der Vertragsparteien, zu Leistungsstörungen und Haftung im Arbeitsverhältnis sowie zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen und deren Übergang auf Betriebsnachfolger bei Betriebsübergängen.
Das kollektive Arbeitsrecht wird im 4. Teil des Werkes auf über 400 Seiten im Wesentlichen in einer dem Gesamtumfang des Buches gebotenen Tiefe behandelt. Neben Koalitions-, Tarifvertrags, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht, sind Abschnitte zum Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht sowie zur Unternehmensmitbestimmung vorzufinden.
Das Buch schließt nach dem 32 Seiten umfassenden 5. Teil zum arbeitsgerichtlichen Verfahren mit einem sechs seitigen Kapitel zum Arbeitsschutz.
Die ca. 60 Seiten umfassende „überblicksartige“ Darstellung der Grundpfeiler europäischen Arbeitsrechts stellt ein Alleinstellungsmerkmal Kamanabrous Lehrbuch im Angebot der allgemeinen arbeitsrechtlichen Literatur dar.
Insgesamt ist das Werk von Kamanabrou in einer klaren, leicht verständlichen Sprache geschrieben. Im Gegensatz zu anderen Autoren verzichtet Kamanabrou auf die Darstellung von Prüfungsschemata (etwa Junker, Arbeitsrecht, 15. Auflage 2016) oder Wiederholungsfragen (etwa Löwisch/Caspers/Klumpp, Arbeitsrecht, 11. Auflage 2017). Dafür sind eine Vielzahl an Beispielen und Beispielsfällen eingearbeitet, die das Gelesene am praktischen Fall repetieren lassen. Das vor dem Stichwortverzeichnis eingefügte Paragrafenregister erleichtert die Fundstellensuche.
Inhaltlich verschafft das Lehrbuch aufgrund seines Tiefganges mehr als einen bloßen Überblick über die arbeitsrechtliche Materie. An einigen wenigen Stellen könnten kleine Ergänzungen zur Komplettierung des Buches beitragen. So wären etwa für den wissenschaftlichen Nachwuchs im Rahmen der Ausführungen zum Befristungsrecht Erläuterungen zur Befristung mit wissenschaftlichem Personal nach dem WissZeitVG von Interesse. Hinsichtlich des Abschnitts zum Tarifvertragsrecht wäre eine ausführlichere Darstellung der Auflösung der Tarifpluralität nach § 4a TVG und den damit verbundenen Problemkreisen wünschenswert. Ebenso rundeten etwa Erläuterungen zu vergaberechtlichen Besonderheiten im Tarifvertragsrecht und der damit zusammenhängenden Rüffert-Entscheidung des EuGH (EuGH 3.4.2008 – C-346/06, Slg. 2008, I-1989 – Rüffert; hierzu etwa Löwisch/Caspers/Klumpp, Arbeitsrecht, 11. Auflage, München 2017, Rn. 1038 ff.; ausführlich Löwisch/Rieble, TVG, 4. Auflage, München 2016, § 5, Rn. 446ff.) die bereits ausführliche Darstellung ab. Das Unternehmensmitbestimmungsrechts ließe sich durch eine über die Wiedergabe der gesetzlichen Mitbestimmungsregelungen hinausgehenden Darstellung vertiefen. So wäre etwa die Frage der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei den Schwellenwerten mitbestimmungsrechtlicher Regelungen für den Leser interessant. Zudem wäre im Rahmen der Erläuterung des MitbestG eine Erwähnung der für die Mitbestimmung in der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA wesentlichen Entscheidung des BGH (Beschluss vom 24.02.1997, Az.: II ZB 11/96) wünschenswert. Das durch den Bedeutungszuwachs der Societas Europaea ebenfalls an Wichtigkeit gewinnende SEBG mit seiner Besonderheit der verhandelten Mitbestimmung könnte zur Schaffung des Problembewusstseins des Lesers in seiner Darstellung um Problemkreise, wie etwa die Frage des Umgangs mit Beteiligungsvereinbarungen bei arbeitnehmerlosen (Vorrats-)SE, ergänzt werden.
Insgesamt eignet sich das Werk, angesichts seines Umfanges und seiner Detailliertheit sehr gut zur vertieften Auseinandersetzung mit dem Gebiet des Arbeitsrechts. Insbesondere für Schwerpunktbereichsabsolventen oder den jenseits des examensrelevanten Basiswissens interessierten Studenten hält das Lehrbuch von Kamanabrou eine gewinnbringende Lektüre bereit. Für den studentischen Geldbeutel schlägt das Werk von Kamanabrou mit 129,00 Euro zu Buche.
* Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle für Hochschularbeitsrecht bei Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Löwisch in Freiburg i. Br.